Soziale Kosten des Glücksspiels
Neben den sozialen Kosten des Rauchens sind für uns auch die sozialen Kosten des Glücksspiels von Interesse. Diese werden bislang aufgrund der Rationalitätsannahme der Glücksspieler deutlich unterschätzt. Der "Trick" bei der Rationalitätsannahme ist, dass die privaten Kosten von Individuen bei der Betrachtung der sozialen Kosten außer Acht gelassen werden können, da man davon ausgehen kann, dass bei Ihnen ein korrespondierender Nutzen vorliegt.
Der Großteil der Glücksspielumsätze wird jedoch von irrationalen Spielern generiert, für die die Rationalitätsannahme nicht gilt. Die Irrationalität der Spielteilnahme liegt insbesondere in drei Punkten begründet: 1) Die Diskontierungsrate zukünftiger Ereignisse wechselt bei diesen Spielern bei der Spielteilnahme, was zu intransitiven Nutzenfunktionen führt, 2) die Spieler unterschätzen oftmals systematisch ihre Spielhäufigkeit, was zu einem zu kurzen Betrachtungshorizont führt und vor allem 3) die Spieler überschätzen den Nutzen und unterschätzen die Kosten aus der Glücksspielteilnahme.
Für die sozialen Kosten des Glücksspiels bedeutet diese Irrationalität, dass ebenfalls die privaten Kosten der Spieler mit einbezogen werden müssen. Diese stellen einen sehr großen Block dar. Eine erste - sehr grobe - Schätzung beziffert demnach die sozialen Kosten des Glücksspiels auf ca. 60 Mrd. $ pro Jahr.
Für eine gesellschaftliche Beurteilung der Glücksspiele müssen diese sozialen Kosten dem sozialen Nutzen gegenübergestellt werden. Die Abschätzung des Ergebnisses fällt nicht schwer: Netto verbleiben Kosten. Glücksspiele sind folglich wohlfahrtsschädlich.
Es stellt sich in der Folge die Frage, ob mit geeigneten rechtspolitischen Mitteln dieser Wohlfahrtsschaden (weiter) begrenzt werden kann. Möglich sind per se alle Regulierungsmethoden: Komplettverbot, Staatsmonopolisierung, Teilprivatisierung oder eine komplette Privatisierung mit Aufsichtsbehörden. Es stellt sich zudem die Frage, ob alle Glücksspiele identisch reguliert werden sollen, oder ob Unterschiede gemacht werden sollten, da sich das Gefährdungspotential einzelner teilweise massiv unterscheidet.
Allseits bekannt ist, dass die Geldspielautomaten das mit Abstand gefährlichste und wohlfahrtschädlichste Glücksspiel sind. Derzeit unterliegt das Angebot von Geldspielautomaten über §§ 33c ff. GewO jedoch keinen nennenswerten Beschränkungen. Dem Gesetzgeber sind hier offensichtlich schwerwiegende Fehler unterlaufen und es erscheint dringend geboten, die Geldspielautomaten deutlich stärker zu regulieren oder gar gänzlich zu verbieten.
Für die anderen Glücksspiele ist die Situation weniger offensichtlich und es besteht noch einiger Forschungsbedarf - sowohl zu ihrem Gefährdungspotential als auch zu den möglichen Regulierungsmaßnahmen. Ein interessantes Gebiet ist vor allem das Glücksspiel im Internet. Das hohe Gefährdungspotential in diesem Bereich steht außer Frage, jedoch hat der deutsche Gesetzgeber wenige Regulierungsmöglichkeiten, da die Anbieter regelmäßig in diversen ausländischen Rechtsoasen angesiedelt sind.
Ingo Fiedler, 2010, Die sozialen Kosten von Glücksspielen. Kostenarten, Wohlfahrtsrelevanz und Herausforderungen bei der Bezifferung, in: Pathologisches Glücksspielen, Hrsg.: Ilona-Füchtenschnieder-Petry, Jörg Petry und Birgit Ottensmeier, Neuland, Geesthacht, S. 19-37.
Fachvorträge
- Ingo Fiedler, Deutscher Suchtkongress 2010, September 2010, Die sozialen Folgekosten des gewerblichen Automatenspiels
- Ingo Fiedler, 8th European Conference on the Gambling Studies and Policy Issues, September 2010, Social Costs of Gambling
- Michael Adams, Ingo Fiedler, DGPPN Kongress, November 2009, Die Kosten von Substanz- und Glücksspielabhängigkeit.
- Ingo Fiedler, Open Uni Hamburg, Juni 2009, Sind Glücksspiele sozialschädlich?
- Ingo Fiedler, 20. Jahrestagung des Fachverbandes für Glücksspielsucht e.V., November 2008, Soziale Kosten des Glücksspiels.
- Ingo Fiedler 1. Deutscher Suchtkongress in Mannheim, Juni 2008: Die sozialen Kosten von Glücksspielen.