Nachruf für Prof. Dr. Günther Ringle
19. März 2024
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Die Fakultät für Betriebswirtschaftslehre und die Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften trauern um Herrn Prof. Dr. Günther Ringle, der am 3. März 2024 im Alter von 86 Jahren verstorben ist. Mit Günther Ringle, der von 1995 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 den Lehrstuhl für Genossenschaftswesen im Institut für Geld- und Kapitalverkehr innehatte, verliert die Universität Hamburg einen herausragenden Wissenschaftler und eine inspirierende Persönlichkeit. Bis zu seinem Tod hat er aktiv geforscht und publiziert. Sein wissenschaftliches Lebenswerk umfasst mehr als 200 Publikationen in Form eigener Bücher, Aufsätze in Zeitschriften sowie Beiträgen in Herausgeberbänden und Schriftenreihen. Mit seiner Forschung und Lehre, sowie seinem Engagement im Ehrenamt hat Günther Ringle zahlreiche Menschen erreicht, die sein Andenken in Ehren halten werden.
Die akademische Laufbahn des in Zweibrücken geborenen Günther Ringle begann im Jahr 1959 mit einem Hochschulstudium an der Akademie für Wirtschaft und Politik (die später 2001 in Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik umbenannt wurde und 2005 mit der Universität Hamburg fusionierte). Dort schloss er im Jahr 1961 sein Studium erfolgreich mit einer staatlichen Abschlussprüfung zum Diplom-Volkswirt ab. Anschließend setzte er sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken und an der Universität Hamburg fort, das er im Jahr 1965 mit einem Abschluss als Diplom-Kaufmann beendete. Kurz darauf wurde Günther Ringle Wissenschaftlicher Assistent auf einer bis 1970 befristeten Stelle im Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Seminar für Handel und Marktwesen und im Institut für Genossenschaftswesen der Universität Hamburg (unter der Leitung von Prof. Dr. Reinhold Henzler). Im Jahr 1968 promovierte er mit einer Dissertation zum Thema „Investitionen und Investitionspolitik genossenschaftlicher Wirtschaftsgebilde“ (Gutachter: Prof. Dr. Reinhold Henzler und Prof. Dr. Dr. h.c. Curt Eisfeld). Ab 1970 war Günther Ringle als Dozent für Betriebswirtschaftslehre im Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg tätig. Seine Habilitation für das Fach Betriebswirtschaftslehre erfolgte im Jahr 1980 mit einer Schrift zum Thema „Das Kommunikationssystem von Wirtschaftsverbänden: Systemanalyse und Konzeption eines zweckmäßigen innerverbandlichen Kommunikationssystems“ (Gutachter: Prof. Dr. Ernst-Bernd Blümle, Universität Freiburg/Schweiz und Prof. Dr. Dr. h.c. Erwin Grochla, Universität zu Köln). Dadurch erhielt er die Lehrbefugnis als Privatdozent an der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg/Schweiz sowie im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg. Nach einer Vertretungsprofessur (C4) für Betriebswirtschaftslehre/Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg in den Jahren 1990 und 1991 wurde Günther Ringle im Jahr 1993 zum Professor im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg ernannt. Von 1995 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 leitete er den Arbeitsbereich Genossenschaftswesen im Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg. Von 2001 bis 2016 war er unter anderem Mitherausgeber der „Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen“, Mitherausgeber der Reihen Hamburger Schriften bzw. Beiträge zum Genossenschaftswesen und aktives Mitglied (z. B. als stellvertretender Vorsitzender) in der Arbeitsgemeinschaft Genossenschaftswissenschaftlicher Institute e. V.
Die Wissenschaft war Günther Ringles Berufung, und seine Veröffentlichungen haben das Gebiet des Genossenschaftswesens maßgeblich geprägt. Neben Forschungsbeiträgen zum strategischen Management von Genossenschaften, Cooperate Culture, Genossenschaftspolitik und Fusionsfolgeforschung bildeten die genossenschaftliche Mitgliederorientierung, -aktivierung, -partizipation und -bindung ein zentrales Element seines wissenschaftlichen Werks. Günther Ringle legte den Grundstein für ein modernes und mitgliederzentriertes Genossenschaftswesen und lieferte stets wichtige Impulse und Orientierungspunkte für das Verhältnis zwischen Genossenschaften und ihren Mitgliedern. Seine leidenschaftliche Hingabe für sein Fachgebiet speiste sich aus der Interdisziplinarität des Genossenschaftswesens, die es ihm ermöglichte, sein umfassendes ökonomisches Wissen vielfältig einzubringen. Gleichzeitig sind Genossenschaften, die einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern darstellen, durch identitätsstiftende Prinzipien gekennzeichnet. Die Bewahrung dieser genossenschaftlichen Prinzipien sowie ihre wissenschaftliche Weiterentwicklung und Modernisierung für die betriebliche Praxis lagen ihm besonders am Herzen. Günther Ringle pflegte einen engen und regelmäßigen Austausch mit Genossenschaften und genossenschaftlichen Verbänden. Seine konzeptionellen und innovativen Beiträge haben Transformationsprozesse in der genossenschaftlichen Forschung und Praxis ausgelöst und begleitet. Als fordernder Förderer und Vermittler zwischen Theorie und genossenschaftlicher Praxis erhielt er großen Zuspruch, und sein Wort hatte Gewicht.
Die Verbindung zwischen Forschung und Praxis brachte er in eine moderne und zeitgemäße Genossenschaftslehre an der Universität Hamburg ein. Ihm war es wichtig, nicht nur standardisiertes Lehrbuchwissen zu präsentieren. Besonders in seinen Seminaren legte er großen Wert darauf, ein Thema aus verschiedenen Blickwinkeln kritisch zu betrachten, bevor Lösungsoptionen für relevante Fragestellungen diskutiert und erarbeitet wurden. Die Ausbildung junger Menschen und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses hatten für Günther Ringle besonders hohe Priorität. Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter und Kollegen konnten stets auf eine offene Tür, seinen Rat und Unterstützung vertrauen. Im Rahmen der Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft Genossenschaftswissenschaftlicher Institute e. V., an denen er regelmäßig bis weit nach seiner Emeritierung teilnahm, stellte die jährlich stattfindende Nachwuchswissenschaftlertagung eine für ihn besonders bedeutende Veranstaltung dar.
Sowohl Studierende als auch Kollegen schätzten nicht nur seine Liebe zur präzisen und zugleich geistreichen Sprache in Wort und Schrift, sondern auch seine umfangreiche Belesenheit und Fachkenntnis. Er legte Wert darauf, mit großem Engagement Sachverhalte gründlich und im Detail zu erarbeiten. Zugleich galt er als wandelndes Lexikon und konnte mit einem sicheren Griff ins Bücherregal meist sofort die Seite mit der gesuchten Textstelle finden. Neben seiner weit anerkannten fachlichen Kompetenz und seiner ungebrochenen Neugier als Wissenschaftler wird vor allem sein sympathisches, hilfsbereites und liebenswürdiges Wesen, mit dem er Menschen begegnete, in Erinnerung bleiben, aber auch seine große Bescheidenheit.
Die Universität Hamburg und ihre Fakultät für Betriebswirtschaft und ihre Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften trauern um Günther Ringle, einen beeindruckenden und äußerst produktiven Forscher, einen inspirierenden und außergewöhnlich engagierten akademischen Lehrer sowie einen hochgeschätzten Kollegen, dem wir mit Dankbarkeit gedenken.
Publikationsverzeichnis von Prof. Dr. Günther Ringle.